Die Prüfung der Angemessenheit der Angebotspreise ist eine Obliegenheit des öffentlichen Auftraggebers, welche andere Bieter geltend machen können, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines unauskömmlichen Angebotes haben (siehe z. B. BGH 2017). Die bislang übliche Art und Weise, wie diese Prüfung durchzuführen ist, wandelt sich nach einer jüngeren Entscheidung der Vergabekammer des Bundes ggf. in Zukunft.

Grundsätzlich hat der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Angebotspreise auf Angemessenheit.  In der Rechtsprechung etablierte sich seit längerem die so genannte 20%-Aufgreifschwelle, bei welcher das zu überprüfende (billigste) Angebot mit dem nächstteureren Angebot verglichen wird.

Erst bei einem Preisabstand von mehr als 20 % müsse der Auftraggeber regelmäßig eine Angemessenheitsprüfung durchführen. Diese Erheblichkeitsgrenze von ca. 20 % hat sich daraus entwickelt, dass ein möglichst preiswertes Angebot natürlich im Interesse des Auftraggebers ist und er nicht in jedem Fall gehalten sein kann, das preiswerteste Angebot auf Angemessenheit zu überprüfen.

Die VK Bund hat im November 2022 allerdings entschieden, dass diese beschränkte Prüfung wohl nicht ausreichen dürfte. Unter Verweis auf eine zwei Monate zuvor ergangene Entscheidung des EuGH wird es vielmehr als notwendig erachtet, das Angebot anhand der konkreten Leistung zu überprüfen. Die 20 %-Schwelle könne als Anhaltspunkt dienen, es müsse aber vor allem eine beurteilungsfehlerfreie Entscheidung getroffen werden.

Die Anwendung der 20 %-Aufgreifschwelle berge jedoch das Risiko, fehl zu schlagen und sei somit nach Ansicht der VK Bund nicht mehr geeignet, die Angemessenheit zu beurteilen: Problematisch werde es mit dieser Methode dann, wenn mehrere Bieter ein sehr günstiges Angebot abgegeben haben und ein unangemessenes so im Vergleich der Angebote untereinander nicht besonders herausstechen und nicht als solches identifiziert werden könne. Genauso könne sich die Situation in die andere Richtung darstellen, nämlich dass ein wirtschaftliches Angebot aufgrund des preislichen Unterschieds zu den anderen Angeboten als unangemessen kalkuliert erscheinen würde, obwohl sich die hohe Differenz nur daraus ergibt, dass die übrigen Angebote überteuert kalkuliert sind.

Eine von den anderen Angeboten unabhängige objektive Prüfung erscheine mithin als die sicherste Möglichkeit für Auftraggeber und Bieter, unangemessene Angebote aus dem Wettbewerb nehmen zu können.

Welche Merkmale bei einer an der konkreten Leistung orientierten Prüfung tatsächlich berücksichtigt werden, sei vom Auftraggeber genau zu dokumentieren, da ansonsten die Nachvollziehbarkeit fehle. Vereinfacht werden könne dies nach Ansicht der VK Bund durch die Herausgabe von Kalkulationsvorgaben schon mit den Vergabeunterlagen. Auf diese Weise wüssten alle Bieter von Anfang an, an welchen Kriterien sich ihr Angebot messen lassen müsse und es bestehe möglichst viel Neutralität und Transparenz.

Für Fragen steht Ihnen auch Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gerne zur Verfügung.