Es gibt drei aktuelle Entscheidungen zur Reichweite des Tatbestandes des § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 VOB/A.

Die Vergabekammer Sachsen hat entschieden, dass das Fehlen des Formblattes 213 am Ende der Vergabeunterlagen für sich genommen keinen Ausschluss vom Vergabeverfahren begründen könne. Die Vergabekammer Niedersachsen und die VK Bund wiederum haben strenge Entscheidungen getroffen und bei Änderung bzw. handschriftlicher Ergänzung der Vergabeunterlagen strikt einen Ausschluss des betreffenden Angebotes angenommen.

Fehlen des Formblattes 213: i.d.R. kein Ausschluss
Dieser Fall wurde entschieden durch die Vergabekammer Sachsen:
Hier ging es um ein online eingereichtes Angebot, welchem die letzte Seite des Formblattes 213 fehlte. Diese Unvollständigkeit der Unterlagen vermag laut der VK Sachsen einen Ausschluss vom Vergabeverfahren grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.

Weder § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, noch mangelnde Erkennbarkeit des Bieters oder das Fehlen einer rechtverbindlichen Willenserklärung sprächen für einen Ausschluss.

Wichtig sei in einem Vergabeverfahren vor allem die nachvollziehbare Erkennbarkeit des Bieters. Folge diese nicht aus dem Ausfüllen des Namens- und Adressfeldes auf der letzten Seite des Formblattes 213, könne sie auch aus den übrigen Vergabeunterlagen deutlich werden. Die fehlende Seite enthalte keine Kernbestandteile des Angebotes, welche nicht auch schon aus anderen Unterlagen ersichtlich geworden wären. Ein Fehlen bzw. Nachreichen des Blattes stelle insofern keine wesentliche Änderung im Sinne eines Ausschlussgrundes aus der VOB/A dar.

Zudem würde mit dem Hochladen der Unterlagen auf die Vergabeplattform trotzdem ein rechtsverbindliches Angebot abgegeben. Entgegen noch der Ansicht des OLG Karlsruhe im Jahre 2020 sei dafür nicht einmal die Nachbildung der Namensunterschrift oder ein anderer Abschluss notwendig. Diese sei mit der Novellierung des Tatbestandes des § 126 b BGB 2014 aufgegeben worden.

Dies entspricht der Gesetzeslage. Tatsächlich gibt es kein Unterschriftserfordernis mehr für die Abgabe eines Angebots bei der E-Vergabe. Das wird auch deutlich in einem Erlass des Bundesministeriums für Inneres, Bau und Heimat, welcher das Ausfüllen des Unterschriftsfeldes im Angebotsschreiben nur noch bei schriftlichen Angeboten für erforderlich erklärt, ansonsten die Erkennbarkeit des Bieters genügen lässt.  

Änderung der Unterlagen: i.d.R. Ausschluss:
Strenger geht es jedoch zu, sobald inhaltlich von Leistungsbeschreibungen abgewichen wird. Die Bedeutsamkeit des Leistungspostens von dem abgewichen würde sei dabei unerheblich. Schon bei einer einzigen Abweichung von der Leistungsbeschreibung sieht die VK Niedersachsen den § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A als einschlägig an. Es sei dabei unbeachtlich, ob die Abweichung bewusst oder versehentlich erfolge oder sogar als zweckmäßig angesehen werden könne. Jeder Bieter dürfe nur das anbieten, was nachgefragt sei, dies gebiete die Transparenz des Vergabeverfahrens.  

Handschriftliche Ergänzung der Unterlagen: i.d.R. Ausschluss:
Die VK Bund hat ebenfalls unlängst eine sehr streng erscheinende Entscheidung getroffen: So führe sogar eine Ergänzung von Vergabeunterlagen in der Regel zu einem Angebotsausschluss. Ein Verbleib im Wettbewerb könne in einem solchen Falle nur angenommen werden, wenn die Unterlagen durch bloße Streichung der Ergänzungen wieder in den ursprünglichen Stand zurückversetzt werden könnten. Wenn konkrete Werte nicht die Bedingungen erfüllten oder andere Fachbezeichnungen von Arbeitsgeräten verwendet würden, müsste auch nicht  zunächst einmal nachgefragt werden, was gemeint war und ob nicht doch eine der ursprünglichen Beschreibung entsprechende Leistung angeboten würde, sondern es könne direkt von einem Ausschluss ausgegangen werden.

Im Lichte der BGH Rechtsprechung von 2019, welche einen rein formalistischen Ausschluss    von Angeboten ablehnte und einen Ausschluss nur „bei manipulativen Eingriffen in die Vergabeunterlagen im eigentlichen Sinne“ erlaubt, erscheint zumindest die Entscheidung der VK Bund jedoch etwas voreilig. Wurde die BGH Rechtsprechung doch allgemein so  aufgefasst, dass zunächst auszuschließen wäre, dass es sich um ein Versehen des Bieters handelt oder ob es sich nur um eine andere Bezeichnung der gleichen Sache handele. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung des OLG Düsseldorf bezüglich der Beschwerde in dieser Sache ausgehen wird (OLG Düsseldorf- Verg 1/23).  

So oder so wird also insgesamt deutlich, dass die E-Vergabe das Vergabeverfahren vereinfachen soll und nicht unnötig formalisieren. Dennoch müssen die Eckpfeiler des Vergaberechts beachtet werden. Die möglichen Ausschlussgründe für ein Angebot gelten nach der Einführung der E-Vergabe nicht weniger streng. Nach wie vor muss zur Sicherung des Wettbewerbes genaustens darauf geachtet werden, bei den inhaltlichen Anforderungen an das Angebot, genau zu arbeiten.    

Für Fragen steht Ihnen auch Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gerne zur Verfügung.