Nach bisher herrschender Meinung bemisst sich die Stillhaltefrist des § 134 Abs. 2 GWB alleine nach Kalendertagen und gibt es insoweit keine zu beachtenden Wochen- oder Feiertagsrestriktionen. Die Frist kann grundsätzlich an jedwedem Tag im Jahr auslaufen. Bedenken hiergegen äußert nun der Vergabesenat des OLG Bremen.

Der Fristbeginn wird in § 134 Abs. 2 S. 3 GWB eindeutig auf den Tag nach dem Absenden der Vorabinformation festgelegt. Das Ende der Frist wird sodann ausdrücklich nach Kalendertagen bestimmt. Doch endet die Frist auch, wenn der Fristablauf auf einen Wochenend- oder Feiertag fällt? Entscheidende Frage ist, welche Normen für die Fristberechnung anwendbar sind.

Eine Anwendung von § 193 BGB, welcher im Zivilrecht ein Fristende von Wochenenden und Feiertagen auf den Ablauf des nächsten Werktages verlegt, wird bislang überwiegend abgelehnt. Diese zivilrechtliche Regelung beziehe sich auf Fristen, innerhalb welcher von demjenigen, welchem die Frist gewährt wurde, etwas zu veranlassen ist, etwa die Abgabe einer Willenserklärung oder die Durchführung einer Leistung. Wie ihr umgangssprachlicher Name schon verrät, ist dies bei der Stillhaltefrist gerade nicht der Fall. Sie verbietet dem Auftraggeber eher im Gegenteil, innerhalb der Frist aktiv zu werden und einen Zuschlag zu erteilen. § 193 BGB könne nach herrschender Meinung so auch nicht analog in Verbindung mit § 222 Abs. 2 ZPO und § 31 Abs. 3 VwVfG angewandt werden.

Laut OLG Bremen sei § 193 BGB jedoch auf verfahrensrechtliche Maßnahmen grundsätzlich anwendbar. Die Stillhaltefrist sei objektiv zudem auch das Zeitfenster, in welchem die per Vorabinformation benachrichtigten Bieter die Umstände prüfen und ein Nachprüfungsverfahren einleiten können. Diese Überprüfungsfrist fordere mithin sehr wohl ein Aktivwerden und könne materielle Auswirkungen haben. Im Hinblick darauf, dass zudem § 193 GWB auch nach der herrschenden Meinung auf die Rügefrist aus § 160 Abs. 3 S.1 Nr.1 GWB anzuwenden sei, stelle sich somit die Frage, ob tatsächlich ein signifikanter Unterschied zwischen der Stillhalte- und der Rügefrist besteht, welcher die Nichtanwendung des § 193 BGB für erstere rechtfertigt. Beide hätten dasselbe Ziel des Rechtsschutzes für denjenigen, der aufgrund des nach Ablauf der Frist geschehenden Ereignisses vermeintlich einen Nachteil erleidet. Die Ablehnung der Anwendung des § 193 BGB auf die Stillhaltefrist sei laut OLG somit bereits kritisch zu sehen.

Alternativ in Betracht komme darüber hinaus eine Anwendung des Art. 3 Abs. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71. Dieser dürfte grundsätzlich auf das GWB anwendbar sein: Gemäß Art. 3 Abs. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 sei diese Vorschrift grundsätzlich auch im Rahmen des EU-Vergaberechts zu beachten. Die Erwägungsgründe der Verordnung formulierten zudem explizit, dass diese Verordnung allgemeine und einheitliche Regeln für die Fristen für Rechtsakte aufstellen solle, welche der Rat und die Kommission erließen. Ein solcher Rechtsakt sei die Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG, die unter anderem mit der Stillhaltefrist  von § 134 Abs. 2 GWB in nationales Recht umgesetzt worden sei. Es erscheine nicht konsequent, in der nationalen Implementierung die Fristen anders zu handhaben, als sie europarechtlich gedacht waren erscheint.

Konkret verschiebe damit Art. 3 Abs. 4 VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 das Ende einer Frist ebenfalls auf das Ende des nächsten Werktages, wenn eine Frist, welche nicht nach Stunden berechnet wird, am Wochenende oder an einem Feiertag endet. Ausgeschlossen sei die Anwendung der Regelung nur bei der Bestimmung einer Frist rückwirkend von einem bestimmten Ereignis an. Bei der Stillhaltefrist des § 134 Abs. 2 GWB handele es sich gerade nicht um eine rückwirkende Fristberechnung, weil die Frist mit dem Tag nach dem Absenden der Vorabinformation beginne und von da an in die Zukunft berechnet werde.

Das OLG Bremen diskutiert die Verschiebung des Fristendes zwar ausführlich und führt Argumente für eine derartige Änderung der vergaberechtlichen Praxis an, jedoch kommt es nicht zu einer finalen Entscheidung. In dem zu entscheidenden Fall kam es auf das Fristende nicht an, so dass es sich bei der Auffassung des OLG nicht um eine (rechtskräftige) Entscheidung zu dieser Frage handelt, sondern lediglich um ein obiter dictum. Es ist dem umsichtigen Auftraggeber dennoch anzuraten, die Stillhaltefrist möglichst so beginnen zu lassen, dass sie nicht an einem Wochenende oder Feiertag endet oder die Frist freiwillig auf den darauffolgenden Werktag zu verlängern, um Rügen bzw. Nachprüfungsanträge zu vermeiden.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.