Das OLG Celle (Urteil vom 18.01.2018 – 11 U 121/17) hat in einer bemerkenswerten Entscheidung festgestellt, dass ein Vorgehen nach dem Grundsatz „(Kein) Dulde und liquidiere“ mit den Grundsätzen des Vergaberechts unvereinbar ist. Dieser rechtliche Grundsatz besagt, dass es ein haftungsausschließendes Mitverschulden begründet, wenn eine rechtswidrige Maßnahme zunächst klaglos hingenommen wird und später dann Schadensersatz bzw. Entschädigung verlangt wird.

Geklagt hatte ein erfolgreicher Bieter. Er verlangte vom öffentlichen Auftraggeber eine zusätzliche Vergütung und berief sich dabei auf die Unwirksamkeit einer Klausel in den Vertragsbedingungen, die eine solche Preisanpassung ausdrücklich ausschloss (hier: wegen Verstoßes gegen § 2 Nr. 3 VOL/B). Die Unwirksamkeit dieser Klausel hatte der Bieter schon im Vergabeverfahren erkannt und deswegen ein Nachprüfungsverfahren angestrengt. Dieses beendete er jedoch durch Antragsrücknahme und konzentriert sich nun auf den Sekundärrechtsschutz.

Nach Auffassung des OLG Celle zu Unrecht. Denn der Bieter hätte zunächst seine Primärrechtsschutzmöglichkeiten wahrnehmen müssen. Anderenfalls würden die Grundsätze eines chancengleichen Vergabeverfahrens unterlaufen, da Bieter ihre Kalkulation auf einen erkannten Vergaberechtsverstoß ausrichten und im Fall des Zuschlags die Ergebnisse des Vergabeverfahrens nachträglich zu ihren Gunsten verändern könnten. Einem solchen Kalkül hat das OLG Celle jedoch einen Riegel vorgeschoben. Unwirksame Klauseln in den Vergabeunterlagen stellen Vergaberechtsverstöße dar und sind im Wege der dafür vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten geltend zu machen.

Das Urteil des OLG Celle ist nicht rechtskräftig. Die Entscheidung des BGH ist mit Spannung zu erwarten.

Achtung: Der Sachverhalt ist nicht zu verwechseln mit den Fällen, in denen ein erfolgloser Bieter nach Abschluss der Vergabeverfahrens Schadensersatz wegen des Verstoßes gegen Vergabevorschriften geltend macht, ohne zuvor Primärrechtsschutz gesucht zu haben. Hier geht die wohl überwiegende Rechtsprechung (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2008 – I-27 U 1/07) nach wie vor davon aus, dass dem Zivilprozess kein Nachprüfungsverfahren vorausgehen muss.

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